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20.11.2001: Gegen 7 Uhr verlassen wir Ninh Binh. Auf der Busfahrt wirken noch die Erinnerung der letzten Tage nach und ich freue mich auf 2 ruhige und traumhafte Tage am kilometerlangen Sandstrand von Sam Son. Das
Hotel ist nicht so gut wie die bisherigen; dafür haben wir aber Zimmer mit Meeresblick. 20 Meter vom Hotel zum Strand; wann hat man diese Möglichkeit schon mal. Nachdem ich meinen Rucksack ausgepackt habe, geht es
runter zum Strand... doch heute ist der Tag, an dem alle Schüler ihre Lehrer besuchen. Nachdem ich mich am Strand niedergelassen habe, habe ich innerhalb kürzester Zeit geschätzt 70 Kinder um mich herumliegen,
die versuchen, mit 3 Sätzen Englisch mit uns ins Gespräch zu kommen: „Hello, what´s your name ? How are you? How old are you ?”…ich fühle mich schon ein wenig wie im Zoo. Es ist ungewohnt, ständig
beobachtet zu werden und wir fragen uns, was die Kinder wohl denken. Da ich irgendwie ständig unter Beobachtung stehend doch nicht so richtig zur Ruhe komme, entschließe ich mich, mit den Einheimischen Volleyball
zu spielen. Nach gut 45 Minuten möchte aber auch ich mich ein wenig ausruhen und versuche, die Sonne zu genießen. Doch das gelingt mir nur sehr schwer, so dass ich mich entschließe, einfach alleine am Strand
spazieren zu gehen. Traumhafte Fotomotive. Man sieht Fischer; die Kinder freuen sich, mal im Mittelpunkt zu stehen; sie haben lange Angeln und sind somit für die Eltern eine Hilfe zum täglichen Broterwerb.
Schließlich helfen wir (Thomas und ich) einigen Fischern beim Einholen des Bootes, beobachten die Fischer beim Auspacken ihrer Ware und sehen, wie sie ganz frischen Fisch direkt vom Boot aus verkaufen. Eine
unvorstellbare Idylle. Ich entscheide mich, alleine noch etwas weiter zu laufen und treffe erneut ein Kind, das ganz aufgeregt mit dem Vater dort steht. Endlich ein gemeinsames Foto. Strahlende Augen. Sie freuen
sich. Wenig später... ein stechender Schmerz im linken Zeh... ein Kind zog seine Angelschnur über den Sand. Der Angelhaken schnellt in meinen Zeh; das Seil zieht sich stramm. Ich mache mir ein wenig Sorgen... das
Blut tropft und als ich versuche, den Haken wieder zu entfernen, der sich tief in das Fleisch gebohrt hatte, merke ich, dass ich ohne die Hilfe der Kinder nicht zurecht komme. Ich weis nicht, welche Form der Haken
hat... doch der „Angler“, der mit mir wohl heute den dicksten Fisch an seiner Angel hatte, hilft mir; ich setzte den Fuß in das Salzwasser und möchte einige Sekunden für mich alleine sein. Doch für die
Kinder ist die Welt schon wieder in Ordnung. Sie sprechen mich erneut an: „What´s your name ?“ Schließlich mache ich „gute Miene zum bösen Spiel“ und tue so, als habe ich den Vorfall auch schon wieder
vergessen. Ich kann nur auf die heilende und desinfizierende Wirkung des Salzwassers hoffen. Es dauert nicht lange und die traumhafte Kulisse hilft auch mir, den Vorfall zu vergessen. Schließlich treffe ich einen
vietnamesischen Reiter und sein Pferd. Ich denke zuerst, er möchte nur, das ich mich auf sein Pferd setzte. Plötzlich kommt ein Fotograph auf mich zu, der schnell die Lage erkennt und 2 Bilder von mir anfertigt,
obwohl nur eins vereinbart war. Nun ja... 2 DM für zwei nette Fotos... was ist das schon. Eine längere Diskussion entstand jedoch zwischen dem Reiter und mir. Er wies mich nicht auf den Preis für seine
Gegenleistung „einmal auf dem Pferd sitzen“ hin und möchte schließlich 10.000 Dong von mir. Ich hielt ihm 1.000 Dong hin und er winkt ab; zeigt mir dann einen 2.000 Dong-Schein. Als ich ihm 2.000 Dong geben
möchte, erhöht er seine Preisvorstellung erneut. Dieses Spiel möchte ich nicht mitspielen und gehe weg... bis er schließlich verärgert aufgibt. Während einige aus unserer Gruppe begonnen haben, Fußball zu
spielen, sitze ich am Tisch und schreibe meinen Reisebericht. Ich genieße die letzten Sonnenstrahlen des Abends. Plötzlich setzten sich 2 Vietnamesinnen und ein Freund zu mir an den Tisch. Sie spricht mit mir in
Englisch und kann schon ein wenig mehr sprechen. Sie scheint unheimlich freundlich und neugierig. Ich erzähle ihr von meiner Reise und dem, was ich gesehen habe. Da ich für vietnamesische Verhältnisse relativ
schnell Englisch spreche, versteht Sie nicht alles. Ihr Name ist Huong. Plötzlich tritt Khang „in Aktion“...er übersetzt und es entwickelt sich eine nette und (aufgrund der Übersetzung) fließende und
flüssige Unterhaltung. Plötzlich erhalte ich eine Einladung. Huong möchte mich am kommenden Tag wiedersehen...durch das Gespräch mit Khang ergibt es sich, dass wir uns dann doch noch für den Abend verabreden.
Khang bietet mir an, mitzukommen. Die Gespräche mit den 3 Studenten erinnern ihn an seine Studienzeit und ich merke ihm an, dass auch er es genießt und seine Freude daran hat, sich mit den 3 zu unterhalten und mir
bei der Übersetzung zu helfen. Schließlich große Neugierde innerhalb der Gruppe. Khang verbreitet in der Gruppe lediglich, dass er und ich ein wichtiges Treffen haben. Er tritt als Amor auf und die anderen
werden noch neugieriger. Ich kommentiere lediglich, dass „Genießer schweigen“...die neugierigen Blicke und Fragen der Anderen amüsieren mich und ich freue mich auf den Abend und die Möglichkeit, einen
Einblick in ein normales vietnamesisches Leben zu bekommen. Ich frage Khang nach einem Gastgeschenk und denke an Wein. Es ist jedoch gut, wenn man einen vietnamesischen Guide bei sich hat. Er schlägt Rosen und
Schokolade vor. ...eine tolle Idee...es gleicht ein wenig den Gebräuchen in Deutschland. Denn wenn man eine Frau mag, so schenkt man Ihr ja auch hier Blumen. Für vietnamesische Verhältnisse ist der Strauss Rosen
richtig teuer. Er kostet 37.000 Dong...ohne Verhandlungen, aber mit einem Lachen im Gesicht kaufe ich die Blumen und freue mich ...echt ein toller Strauss. Er macht das Gefühl des Treffen noch emotionaler. Mit 3
Personen auf einer Vespa. Ein kleines vietnamesisches Abenteuer...ein unbeschreibliches Gefühl. Nach gut 10 Minuten erreichen wir das Ziel. Als ich in die Wohnung eintrete, sehe ich mehrere Vietnamesinnen und habe
anfangs Schwierigkeiten zu erkennen, mit wem ich mich die ganze Zeit so nett unterhalten habe. Schließlich sagt Khang, es sei egal, wem ich die Blumen gebe...ich werde unheimlich herzlich aufgenommen und habe das
Gefühl, dass sich alle freuen, dass ich nun bei Ihnen bin. Alle strahlen glücklich. Auch dieses Gefühl, das Lachen...ich werde es sicherlich niemals vergessen. Die Atmosphäre ist toll. Das Lachen von Huong
(...gesprochen Hoan) werde ich sicherlich niemals vergessen. Die Atmosphäre ist toll. Huong versucht in Englisch zu sprechen...doch sie ist so aufgeregt, dass sie vieles vergisst. Ich mag sie; ich mag ihr
Verhalten. Sie ist unheimlich intelligent. Ich erfahre, dass alle 3 Geschwister Technologie studieren. Der Vater von Huong arbeitet in Saigon und ist für die Konstruktion von Strassen und Brücken zuständig.
Amüsiert merke ich an, dass dieser Job sehr wichtig ist und weise dabei auf die „Bumpy Roads“ im Norden hin, die ich wohl ebenfalls niemals vergessen werde....“Arbeitslosigkeit“ hat der Vater bei diesen
Straßenverhältnissen wohl nicht zu befürchten. Huong sieht ihren Vater nur 3 Mal im Jahr. Doch trotz der großen Entfernung fühlen sie sich vom Herzen ganz nah. Sie sehen sich die Bilder von meiner Familie an.
Wir essen dabei Reiscracker; lecker und schmackhaft. Ein schönes Gefühl; schließlich erfahre ich , dass sie mich als guten Freund ansieht. Ich habe etwas Sorge, das mein Verhalten missverstanden wird, mache
jedoch den Unterschied deutlich zwischen „I Like you“ und „I love you“...Ich hasse es, wenn man mit Gefühlen spielt. Ich fühle eine freundschaftliche Verbindung“...denn ich kann mir nicht vorstellen,
dass man nach solch einer kurzen Zeit schon sagen kann, einen Menschen zu lieben...doch mir wird bewusst, dass ich starke Gefühle habe...durch das Verhalten der Familie fühle ich mich in den Kreis mit einbezogen.
Ich versuche zu vermitteln, was ich über Vietnam denke, was mir gefällt und was ich wohl niemals vergessen werde. Ein traumhafter Abend. Huong sagt, dass ihr dieser Abend stets in Erinnerung bleiben wird.
Mir geht es ähnlich. ...solche Erlebnisse kann man sich nicht erkaufen; man kann sie nur erleben, wenn man offen für andere Kulturen ist. Lachen ist eine Sprache, die weltweit verstanden wird. Man braucht dazu
keinen Übersetzter. Ein Blick ins Gesicht verrät mehr über die Menschen; Gefühle kann man nicht in Worte packen. Kurz vor dem Verlassen überreicht mir Huong ein Armband als Symbol für die Freundschaft. Uns
beiden ist klar, dass es nur eine Freundschaft bleiben wird. Auch wenn ich mich auf das Abenteuer Vietnam eingelassen habe; manche Abenteuer muss und sollte man alleine aus moralischen Gründen nicht ausprobieren.
Gegen 22 Uhr werden Khang und ich von dem Motorradfahrer wieder abgeholt. Unter sternenklarem Himmel fahren Khang und ich zurück zum Hotel. Ich werde diesen Abend noch lange in Erinnerung behalten. Es war ein
traumhafter Tag; aus einem kurzen Gespräch entwickelt sich eine Freundschaft. Es ist ein schönes Gefühl. Trotz der großen Entfernung fühlt man sich gedanklich verbunden. Ich erinnere mich an das, was Huong
über ihren Vater erzählt hat. Sie sieht ihn nur 3 Mal im Jahr und doch ist er der Familie ganz nach. Wer weiß; vielleicht komme ich in einigen Jahren noch einmal nach Vietnam und werde Huong wiedersehen....
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